Die Muse Weib ist, unterthan
den Launen:
Sie duldet Viel, ja Alles von
dem Theuren,
Den einzig ihre Küsse nur
befeuren.
Sobald jedoch ihr böse Zungen
raunen,
Daß man gewagt, auch Andre zu
bestaunen,
Dann greift ihr Zorn
blindlings zum Ungeheuren.
Sie droht mit Scheidung:
Gluthen laß erneuren
Von Nixen Dir, von Satyrn oder
Faunen.
„Vielleicht von mir?“ sprach
tröstlich eine Lippe
Zum Dichter, welchem jenes
Glück geworden,
Das Vater Adam kostete die
Rippe.
Wer sind Sie, Kind? „Nicht
heimisch hier im Norden:
„Die Rebe heiß ich, Nektar ist
mein Sippe,
„Und wer mich ehrt, den tränk
ich mit Accorden.“
Spätnachmittag in goldne Ruhe
wieget
Den Lindenhof, das Wirthshaus
und die Laube.
Durch Reben schwillt der
Purpurglanz der Traube,
Und drinnen Wein das offne
Herz besieget:
Studenten zechen dort. Hier aber
schmieget
Ein Wandrer sich, der
Müdigkeit zum Raube,
In Kühlung her, und sicher wie
die Taube
Durch Ätherhöhn sein Traum zur
Heimath flieget.
Was schrillet von der Straße,
was so eigen
Mit heiserm Ton und jetzt im
Fiebertakte?
Zigeuner sind’s! Schon wirbelt
hin ihr Reigen,
Der Klang das Ohr, der Bursch
die Dirne pacjkte.
Doch zu dem Feinsten, weil er
schlief, sich neigen
Der schönsten Locken dunkle
Katarakte.
Gewiß, wer ohne hoffnung
liebt, der sinket
In tiefer Nacht träumend in
Liebesarme,
Wer einsam kämpfet, taub dem
niedern Schwarme,
Ihm das Asyl in Lorbeerhainen
winket.
Wenn du verlassen sterben
mußt, dir blinket
Vom Himmel Frieden her nach
langem Harme,
Doch einsam wird, einsam, daß
Gott erbarme,
Der Zechkumpan, der sonder
Freunde trinket.
Denn Wein ist Gluth, ist
Lieblingskind der Sonne,
Und wer ihn fröhlich küsset,
den berauschet
Die Zauberströmung jeder
Lebenswonne,
Drin Geist und Stoff und Licht
und Nacht vertauschet.
Am Kelch das bleiche Haupt ist
wie die Nonne,
Die sich zur Qual verbotnes
Glück belauschet.
Im Froschorchester kräftig
zirpt die Grille,
Ein breiter Lichtstrom durch
die Wiipfelkrone
Hernieder schwimmt vom
gastlichen Balcone
Und mondhell ist die Nacht und
weich und stille.
Der Vater liest, Grosmutter
rückt die Brille,
Bedeutsam lugend nach dem
Enkelsohne,
Der sein Blondinchen zwingt
mit sanftem Tone,
Daß von den Lippen endlich Wahrheit
quille.
Doch tief erröthend neiget sie
das Haupt.
Da kommt ein lieber Nachbar:
Ihn zu ehren,
Die Hausfrau trägt ein
Fläschlein altbestaubt,
Ein Goldsaft rinnt, dem Herzen
nie sich wehren.
Die Seele glüht, die Blüthe
wird geraubt,
Und Amor läßt von Bachus sich
belehren.
Den starken Sohn der
gluthumflossnen Steine
Hat groß gesäugt mit Feuer
seine Amme,
Die Strahlenkönigin, die
Sonnenflamme,
Und darum sprüht aufwärts dder
Geist im Weine.
Doch jener Zwiespalt, dessen
Gift das Reine
Verwelken macht im erdgebornen
Stamme,
Der träge Leib aus Kalk und
Schutt und Schlamme
Heimtückisch zeugt im Becher
das Gemeine.
Und dieses gähnt und hüllt in
Nacht die Frechen,
Die weihelos der Gier des
Rausches fröhnen.
Doch Heil der Seele, welche
Kraft will zechen!
Vom Licht gelehrt, den eklen
Dunst zu höhnen,
Genießt sie Leben: Tausend
Knospen brechen
In Träumen, Worten, Blicken
oder Tönen.
Die Neckarwelle glitzert und
erzählet
Vom Schwarzwald eine heimliche
Geschichte,
Der Äther schwimmt in blauem
Silberlichte,
Das Herz den Traum zum
Spielgenossen wählet,
Und hier im Kahn ist Picknick:
Still sich quälet
Ein zartes Fräulein, wie es
Kuchen richte,
Dort Andere mit schelmischem
Gesichte
Maiwein entkorken, dessen
Blüthe stählet
Den Muth der Herrn zu
reizenden Verbrechen.
Und halbe Seufzer, halbe
Worte, ganze,
Doch sehr verstohlne
Händedrücke sprechen
In Moll und Dur das Lied vom
Myrthen kranze.
Ein Querkopf nur verschmäht
sothanes Zechen:
Sein Heimweh ruht, sein Blick
im Sternentanze.
Und weil so königlich dies
Blut der Reben,
Drum ward es her vom Paradies
ergossen,
Und alle Labsal ruht in ihm
beschlossen
Und Würze nicht darf Irdisches
ihm geben.
Nur Eins ihm leiht, dies aber
höchstes Leben:
Du, Gastfreiheit! Wer deinen
Wein genossen,
Wenn fromm du lehnst an
schaumbedeckten Rossen,
Zum Sattel hoch dein Becherlein
zu heben,
Wenn aus dem Pfarrhaus unter
Lindenblüthen
Du wandeltest, blauäugig,
blond von Haaren,
Ja, wenn zu Schiff in
dämmrigen Kajüten
Zu reich du warst, Xeres und
Witz zu sparen:
in aller Welt, wo deine
Tropfen glühten,
Dein Schützling fand Heimath
in Wanderjahren.
Der Juni hat die Rosen
aufgeschlossen,
Ihr Odem glüht, im Thau die
Kelche prangen,
Und breit darüber Lindenwipfel
hangen,
Vom Bienensang, vom
Blüthenhauch umflossen.
Wem nimmer Veilchen unter
Dornen sprossen,
Wem Lerchen längst verstummt
sind, der, gefangen
Von Sommerelfen, spüret heut
Verlangen
Nach heitrer Ruh mit sinnigen
Genossen.
Im Bürgergarten in der
Vorstadt höret
Ein Freundespaar beim Weinglas
dieses Mahnen,
Und jeder Tropfen zwanzig Jahr
beschwöret:
Vorüber ziehn ihm
Geisterkarawanen,
Durch Mutter’s Zorn nicht
werden sie gestöret,
Nicht von dem Rollwurf naher
Kegelbahnen.
Die Wache hält ein Geist in
Rebenhügeln,
Ein Engel leiht den zündenden
Gewalten,
Die sich im Licht aus tiefem
Grund gestalten,
Zwiefachen Fittig, Seelen zu
beflügeln,
Rückwärts den Einen: Stumm
gelehrtem Klügeln,
Dem Zecher muß die Vorzeit
sich entfalten:
Sie plaudert vom erquickten
Mund der Alten,
Und mit des Traumes
willenlosen Zügeln
Lenkt sie den Jüngling heim
zum Spiel des Knaben:
Und ihn berührt die Kraft der
andern Schwinge,
In deren Schatten Kleinmuth
wird begraben.
Der Dunst den Leib, den Stoff
der Stoff bezwinge!
Dem Herzen giebt, ob diesem
Rausch erhaben,
Begeisterung die Schlüssel
künfger Dinge.
Horch, horch! Vom
Doppelhufschlag nah und näher
Im Buchenwalde zittern dort
die Pfade:
Husaren zwei, blitzäugig,
kerzengrade
Ihr Roß pariren, ausgesandt
als Späher.
Und Einer lacht: „Verschmachten
ist kein jäher,
Doch aber böser Tod. Komm,
bade
Dein heißes Herz in klarem
Gold, Kamarade!
’s ist Erntetag und dürsten
soll kein Mäher.
Nur diese Flasche jetzt, jetzt
noch die Eine –„
- Da knattern Schüsse, bessre
Labsal winket:
Dem Ruhm kredenzt der Tod mit
dunklem Weine.
Hier aber eine leere Scherbe
blinket
Und dort ein stilles Aug am
Wiesenraine,
Das brechend nun den Gruß des
Himmels trinket.
Geläut und Glocke! Diese
beiden Worte
Das Herz aufthun dem sinnenden
Poeten,
Und aus dem Goldgrund seines
Lebens treten
Glücksbilder vor mit ihrem
besten Horte.
Wie schön sie sind: Dort lädt
die Kirchenpforte
Zum Hochzeitsfest, zu
kindlichen Gebeten,
Hier weiset einen wandermüd
Unsteten
Der Vespergruß hinein zum
Friedensporte,
Sein Auge perlt, der Quell des
Segens fluthet.
Doch falls im Reigen andre
Geister kämen
Aus andern Stunden, da wir
frischgemuthet
Mit Kelchgeläut bestattet
unser Grämen:
Wo edler Wein das reine Herz
durchflutet,
Des Bechers wird die Glocke
nie sich schämen.
Der Kampf ist aus, viel Herzen
nimmer schlagen,
Die Perlen hegten für ein
langes Leben;
Ein Jüngling, dessen bleiche
Lippen beben,
Zum Sterben wird an’s Meer
hinab getragen.
Dies aber schwillt und wallt,
als möcht es sagen:
„O, zu mir komm! Du sollst mit
Sinken, Heben
Zum Abendroth in Purpurwiegen
schweben,
In tiefen Schlaf nach kurzen
Heldentagen.“
Und sieh, der Knab
emporgesprungen wehret
Den Kampfgenossen, flüsternd:
Eine Schale
Voll allerbesten Weines sei
geleeret!
Des Lebens Woge trug im
Morgenstrahle
In lauter Glück mich, und dies
Herz begehret,
Daß ich ihr Dank am Strand des
Todes zahle.